Symptome

Fatigue und kognitive Auswirkungen

Nadine Siems ist Psychologin mit Schwerpunkt Neuropsychologie. Sie arbeitet im St. Josef-Hospital, einem Klinikum der Ruhr-Universität in Bochum, wo sie sich mit kognitiven Beeinträchtigungen und emotionalen Auswirkungen bei Patient:innen mit neurologischen Erkrankungen beschäftigt. Ein wichtiger Teil ihrer Arbeit ist die Diagnostik und Aufklärung der Patient:innen, um so Verständnis zu fördern und eine optimale individuelle Therapiegrundlage zu schaffen.

„Die Betroffenen berichten von ausgeprägter Erschöpfung.“

Die Diagnose Myasthenia gravis wirkt sich auf alle Lebensbereiche der Betroffenen aus. Die chronische Erkrankung und damit einhergehende Ängste und Sorgen führen zu einer lebenslang erhöhten psychischen Belastung: „Das hat eine große Auswirkung auf den Lebensinhalt und die Lebensqualität.“ Die Patient:innen stehen aber nicht nur im Umgang damit vor Herausforderungen, auch die körperlichen Symptome sind im Alltag sehr einschränkend.

Häufig haben Betroffene mit einer starken, anhaltenden Erschöpfung (Fatigue) zu kämpfen, die sowohl kognitiv als auch motorisch auftreten kann: „Patienten berichten von unverhältnismäßigem Energieverlust, der auftritt, ohne dass große Anstrengungen unternommen wurden.“ Die kognitive Fatigue äußert sich in geistiger Erschöpfung, was zu Konzentrations- und Gedächtnisproblemen sowie Schwierigkeiten bei der Bewältigung alltäglicher Aufgaben führen kann. Die motorische Fatigue hingegen sorgt dafür, dass selbst geringe körperliche Anstrengungen starke Erschöpfung hervorrufen können – auch bei weniger stark ausgeprägter Muskelschwäche. Dazu kommt, dass die notwendigen Erholungsphasen deutlich länger sind als bei gesunden Menschen oder es nie zu einer vollständigen Erholung kommt, weshalb Betroffene oft dauerhaft mit der Fatigue leben müssen. Die Fatigue-Symptomatik geht bei vielen Patient:innen mit emotionalen Belastungen wie Depressionen, Angststörungen und Stress einher.

„Das sind Hinweise, dass außerhalb der Muskelschwäche, die im Rahmen der Myasthenie auftritt, noch eine andere Art von Erschöpfung da ist.“

Die Abgrenzung zu normaler Erschöpfung oder Müdigkeit kann anfangs schwierig sein. Erst mit der Zeit merken Patient:innen, dass ihre Leistungsfähigkeit spürbar nachlässt: „Patient:innen können ihren Lebensalltag häufig nicht mehr so bestreiten, wie sie es gewohnt sind.“ Sie benötigen Ruhephasen während des Tages oder sind aufgrund von Konzentrationsschwierigkeiten nicht mehr in der Lage, ihren Beruf auszuüben. Zur Diagnostik der Fatigue wird zunächst eine ausführliche Anamnese durchgeführt, ergänzt durch Selbstauskünfte der Betroffenen: „Da es für diese Symptomatik noch keine objektive Messmethode gibt, nutzen wir zusätzlich Fragebögen.“

Die genauen Ursachen der Fatigue bei Myasthenie-Patient:innen sind bislang nicht geklärt. Studien weisen darauf hin, dass eine Überaktivierung des Immunsystems eine Rolle spielen könnte, aber auch psychische Belastungen, insbesondere Depressionen und Ängste. Auch Stress und Schlafstörungen können die Erschöpfung und kognitive Einschränkungen zusätzlich verstärken: „Wenn man schlecht schläft, kann man sich schlechter konzentrieren, das ist natürlich noch deutlicher, wenn man grundsätzlich an Schlafstörungen leidet.“ Weitere Einflussfaktoren auf die Ausprägung der Fatigue können der Diagnosezeitpunkt und der Therapiestart sowie die Schwere der Erkrankung sein.

„Es ist wichtig, den Tagesablauf an die vorhandenen kognitiven und körperlichen Ressourcen anzupassen.“

Obwohl es bislang keine einheitliche Behandlung gibt, gibt es verschiedene Ansätze, um die Symptome zu lindern und die Auswirkungen auf den Alltag der Betroffenen zu verringern. Vor allem eine optimale medikamentöse Einstellung ist wichtig, ergänzend dazu kann eine psychotherapeutische Begleitung helfen, Stress zu reduzieren und Bewältigungsstrategien für den Umgang mit der Erkrankung zu erlernen. Neuropsychologische Therapieansätze können unterstützend wirken, dazu zählen z. B. kognitives Training oder Kompensationstraining.

Nadine Siems betont die Wichtigkeit von Aufklärung der Patient:innen: „Wenn Patient:innen über ihre individuellen Beeinträchtigungen aufgeklärt sind, können sie diese besser verstehen.“ So können in der Folge auch Verhaltensänderungen bewirkt werden, die zu einer Verbesserung der Symptome führen: „Der Therapieerfolg hängt unter anderem davon ab, dass Patient:innen konsequent teilnehmen und langfristig am Ball bleiben.“

Therapie & Therapieerfolg

Die kleinsten Dinge

werden zu den

größten Wünschen.

MED-DE-NON-2500032 V1 Mai2025