Tanja (46) lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn im Mittelrheintal. Bereits 2010 bemerkte sie erste Symptome, die jedoch zunächst harmlos erschienen. Erst mit der Zeit wirkten sie sich bemerkbar auf ihr Leben aus, weshalb sie sich auf die Suche nach der Ursache ihrer Beschwerden machte. Nach mehreren Jahren erhielt sie 2017 endlich die Diagnose Myasthenia gravis (MG). Heute hat sie gelernt, ihren Alltag anzupassen und führt ein möglichst selbstbestimmtes Leben.
Die ersten Symptome bemerkte Tanja schon während ihres Jura-Studiums. Ihre Hand verkrampfte beim Schreiben und ihre Stimme wurde schnell heiser. Tanja erklärte sich diese Beschwerden zunächst mit Stress und Überarbeitung: „Es war nie voraussehbar, dass es Myasthenie ist. Es war einfach total unbestimmt.“ Auch als sie später im Zuge einer Kinderwunschbehandlung extreme Müdigkeit und Muskelschwäche verspürte, hielt sie sich lediglich für eine „jammernde Schwangere“. 2015 wurde schließlich ihr Sohn geboren. Aufgrund ihrer fehlenden Diagnose war die Schwangerschaft in Hinblick auf die Myasthenie unbegleitet. Ihr Sohn kam mit dem FARIS-Syndrom zur Welt, eine Erkrankung, die mit erheblichen Beeinträchtigungen einhergeht.
Erst als Tanjas Vater 2016 die Diagnose Myasthenia gravis erhielt, erkannte Tanja, dass ihre eigenen Symptome ähnlich waren: „Nachdem ich mit den Ärzten über ihn gesprochen habe, war mir sehr bewusst, das ist auch das, was ich seit Jahren an Symptomen habe.“ Doch ihr Neurologe glaubte nicht, dass auch sie von Myasthenie betroffen sein könnte. Anfang 2017 wurden die Symptome dann so ausgeprägt, dass Tanja beschloss, diese ärztlich abklären zu lassen. Sie hatte ein hängendes Augenlid und verspürte eine andauernde, extreme Erschöpfung. Ihr Hausarzt überwies sie in die Klinik, wo sie dann relativ schnell die Diagnose Myasthenia gravis erhielt: „Es war für alle eigentlich relativ schnell klar, dass es Myasthenie sein muss.“
Nach der Diagnose dauerte es mehrere Jahre, bis die richtige Therapie für Tanja gefunden wurde. Viele Medikamente, die sie probierte, vertrug sie nicht oder sie zeigten keine Wirkung. Zusätzlich frustrierend für sie war das Gefühl, von ihren Ärzten nicht ernst genommen zu werden: „Ich weiß, was bei mir passiert, was ich vertrage, was ich nicht vertrage. Es ist eben nicht nur Jammern.“ Tanja hatte genug und wollte nicht weiter in diesem Zustand mit sich verschlechternden Symptomen ohne Aussicht auf Besserung verharren: „Das war für mich kein Zustand, den ich ertragen wollte und konnte.“ Sie wurde fordernder und bestand auf schnellere Therapiewechsel, wenn sich zeigte, dass die aktuelle Therapie nicht anschlug.
Aufgrund ihres schlechten körperlichen Zustands war es Tanja nicht möglich, arbeiten zu gehen oder ihren Alltag zu bewältigen. Vor allem die Tatsache, dass ihre Stimmproblematik nicht verschwand, führte dazu, dass sie in ihrem Beruf nicht länger arbeiten konnte. Inzwischen wurde Tanja verrentet: „Mein Leben ist natürlich ganz anders, als ich mir das vorgestellt habe.“
Ihre Familie war und ist für Tanja eine große Stütze, dennoch sind die Herausforderungen aufgrund der Beeinträchtigungen ihres Sohnes für sie und ihren Mann groß. Bis heute hat er Sprachentwicklungsprobleme und ist auf eine Assistenz angewiesen. Eine Situation, die Tanja sehr belastet: „Ich hätte Medikamente bekommen können, die das Kind geschützt hätten.“ Im Umgang damit hilft es ihr sehr, dass ihr Sohn in der Schule gut integriert ist und daher momentan eine relativ normale Schulzeit erleben kann. Ihr ist aber durchaus bewusst, dass sich das mit dem anstehenden Schulwechsel ändern kann, weshalb sie ihn mithilfe einer Lerntherapie unterstützen: „Wir wollen nicht, dass er dadurch Deutsch oder Mathe besser kann, sondern wir wollen sein Selbstbewusstsein stärken, seinen Ängsten begegnen.“
Seit Tanja eine Therapie gefunden hat, die ihr zumindest zeitweise Erleichterung verschafft, kann sie auch ihren Alltag wieder besser meistern: „Wir wissen, dass es mir unter der aktuellen Therapie fünfeinhalb Wochen super geht und ich einiges machen kann.“ Auch wenn sie oft auf Hilfe angewiesen ist, bleibt sie aktiv: Sie engagiert sich ehrenamtlich, hat gelernt, sorgfältig zu planen und so die Kontrolle zu behalten, was ihr ein gutes Gefühl gibt. Sie setzt sich für sich und andere Betroffene ein und informiert sich, denn es ist ihr wichtig, eine mündige Patientin zu sein, die von ihrem Umfeld und ihren Ärzten ernst genommen wird.
MED-DE-NON-2500035 V1 Jun2025