3. Dialog „Leben mit MG“

Verstehen. Austauschen. Mut machen.

Diagnose Myasthenie: Psychische Auswirkungen für Patient:innen

Die dritte Online-Veranstaltung der Reihe Dialog „Leben mit MG“ fand am 02.04.2025 zum Thema „Psychische Auswirkungen für Patienten“ statt. Auf vielfachen Wunsch der Betroffenen aus der letzten Veranstaltung standen die psychischen Auswirkungen durch die Erkrankung Myasthenia gravis (MG) im Fokus. Moderatorin Larissa Winterle führte durch die Veranstaltung und sprach mit Patient:innen über deren persönliche Erfahrungen sowie mit Expertinnen über Möglichkeiten, mit den Herausforderungen umzugehen.

Zu Beginn sprach Dr. rer. nat. Judith Wesenberg, klinische Neuropsychologin am Institut für Kognitive Neurologie der Universität Magdeburg in ihrem Impulsvortrag über Stimmungsschwankungen, Rückzug und Aktivierung des eigenen Antriebs – und erklärt, warum es wichtig ist, die psychischen Folgen der Erkrankung ernst zu nehmen.

Merle und Horst, die beide selbst von MG betroffen sind, teilten offen ihre persönlichen Erfahrungen. So erzählte Merle unter anderem von Gefühlen der Wut, Einsamkeit sowie von Hilfe und Unterstützung aus ihrem Umfeld. Horst sprach über seinen täglichen Umgang mit der Erkrankung und betonte, wie wichtig es ist, nicht die Hoffnung auf Besserung zu verlieren.

Ergänzt wurde die Veranstaltung auch diesmal durch einen Beitrag von Nicole Scherhag, Sozialpädagogin und Supervisorin (DGSv), die über psychosoziale Hilfen, sozialrechtliche Möglichkeiten sowie Unterstützungsangebote im Alltag aufklärte. Dabei ging sie unter anderem auf Kostenerstattungsverfahren, regionale Beratungsstellen und Reha-Maßnahmen ein.

Die Teilnehmenden hatten über ein anonymes Chatfenster die Möglichkeit, Fragen an die Referierenden zu stellen, die im Verlauf der Veranstaltung aufgegriffen und beantwortet wurden.

Highlights aus dem 3. Dialog „Leben mit MG“ – Psychische Auswirkungen für Patient:innen

Dieses Video zeigt ausgewählte Momente der dritten Veranstaltung „Leben mit MG“. Hier finden Sie ehrliche Einblicke in das Leben von Patient:innen sowie Expertenwissen rund die psychischen Auswirkungen der MG.

2 Patient:innen + 2 Expertinnen im Austausch über:

Leben mit MG - Psychische Auswirkungen für Patient:innen

Psychische Auswirkungen der Diagnose MG

Sozialrechtliche Aspekte für Patient:innen - Wo bekomme ich Hilfe her?

Horst Dieter

Horst Dieter (71) war zuletzt im Gesundheitsbereich tätig und ist inzwischen Rentner. Er ist verheiratet, spielt gerne Keyboard und interessiert sich für das Thema Künstliche Intelligenz. Während eines Seminars im Jahr 2009, das er leitete, konnte er plötzlich nicht mehr sprechen. Eine anwesende Neurochirurgin brachte ihn ins Krankenhaus, wo die Diagnose Myasthenia Gravis gestellt wurde. Im Verlauf seiner Erkrankung musste er mehrere schwere Situationen bewältigen und zeitweise sogar beatmet werden. In den Jahren mit der Erkrankung hat Horst Dieter gelernt, mit den Herausforderungen der MG zu leben, und lässt sich dank der Unterstützung seiner Familie auch von weiten Reisen nicht abhalten.

Merle

Merle (22) studiert Lehramt für Geschichte und Englisch. Kurz nach dem Abitur bemerkte sie erste Symptome wie Kraftverlust in den Armen, Schwierigkeiten beim Greifen oder Zähneputzen und zunehmend schwache Beine. Die Diagnose Myasthenia Gravis stellte im Februar 2023 ihr Leben völlig auf den Kopf. Besonders die Angst vor einer myasthenen Krise und die Herausforderungen des Studienalltags belasten sie. Inzwischen hat Merle gelernt, das Tempo herauszunehmen, sich nicht mit anderen zu vergleichen und ihren Alltag bewusst zu gestalten.

Dr. rer. nat. Judith Wesenberg

Dr. rer. nat. Judith Wesenberg ist Klinische Neuropsychologin (GNP e.V.) am Institut für Kognitive Neurologie und Demenzforschung (IKND) an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Sie verfügt über Erfahrung in der klinischen Arbeit sowie in der Forschung. In ihrem Vortrag gibt sie Einblicke in die Zusammenhänge zwischen Muskelkrankheiten und den damit einhergehenden geistigen sowie emotionalen Veränderungen und erläutert deren mögliche Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Angehörigen und stellt mögliche therapeutische Ansätze vor.

Nicole Scherhag

Nicole Scherhag ist Sozialpädagogin und Supervisorin (DGSv). Seit mehr als 25 Jahren begleitet sie Menschen mit chronischen Erkrankungen in belastenden Lebensphasen. Ihr besonderer Fokus liegt auf den psychischen Auswirkungen chronischer Erkrankungen, deren Bewältigung im Alltag sowie den sozialrechtlichen Herausforderungen, die damit einhergehen.

In ihren Workshops, Vorträgen und Fortbildungen vermittelt sie Informationen für Betroffene, Angehörige und Fachkräfte zu den psychischen und sozialen Auswirkungen chronischer Erkrankungen. Dabei geht es um Austausch, Orientierung im Umgang mit Belastungen und die Vermittlung von Handlungsmöglichkeiten im Alltag und im Gesundheitssystem.

Sie haben die Veranstaltung verpasst? Hier finden Sie alle Beiträge in voller Länge.

Horst Dieter
„Nicht den Glauben aufgeben, dass es auch noch besser werden kann.“ – Wie Horst Dieter weiterhin aktiv bleibt, sich engagiert und auf Reisen geht.


Seit 16 Jahren lebt Horst Dieter mit MG und beschreibt, wie sie seinen Tagesablauf, seine Energie und auch seine Psyche beeinflusst. Seine Geschichte zeigt, dass die Myasthenie Betroffene immer wieder vor neue körperliche und psychische Herausforderungen stellt. Horst selbst war aufgrund von myasthenen Krisen mehrmals in lebensbedrohlichen Situationen, was zur Folge hatte, dass er nach diesen traumatischen Erfahrungen viel Zeit zur Verarbeitung brauchte. Er musste lernen, mit der Angst vor neuen Krisen zu leben und einen Weg zu finden, der seinen Alltag nicht bestimmt.

Merle
„Also auf jeden Fall nichts in sich hineinfressen.“ – Wie Merle gelernt hat, sich Hilfe zu suchen und diese anzunehmen.


Merle spricht über die Emotionen, die die Diagnose bei ihr ausgelöst hat, und wie sich diese mit der Zeit verändert haben. Zu Beginn versuchte Merle, ihr Leben so weiterzuleben wie zuvor. Die Verschlechterung ihrer körperlichen und psychischen Symptome führte zu einem Umdenken und sie musste lernen, ihren neuen Alltag mit der Erkrankung zu akzeptieren. Merle erkannte, dass sie ihr Leben nur in ihrem eigenen Tempo leben kann und ein Vergleich mit gesunden Gleichaltrigen sie nicht weiterbringt.

Dr. rer. nat. Judith Wesenberg
„Man spricht oft, wenn man über Depressionen spricht, über eine Abwärtsspirale. Aber ich würde gerne über eine Aufwärtsspirale sprechen, denn es ist nicht vorbei.“ – Psychische Auswirkungen der Myasthenie für Patient:innen aus neuropsychologischer Sicht.


In ihrem Impulsvortrag spricht die Neuropsychologin Dr. Judith Wesenberg über die psychischen Auswirkungen der Myasthenia gravis. Sie beschreibt, wie chronische Erkrankungen das emotionale Gleichgewicht beeinflussen können, etwa durch Rückzug, Stimmungsschwankungen, Schlafprobleme oder Antriebslosigkeit, und warum es wichtig ist, auch diese Seite der Erkrankung wahrzunehmen.
Dr. Wesenberg betont, dass psychische Symptome oft nicht isoliert auftreten, sondern sich mit den körperlichen Symptomen vermischen, was die Diagnose und den Umgang damit erschwert. Umso wichtiger sei es, über die eigene Situation zu sprechen und sich frühzeitig Unterstützung zu suchen.

Nicole Scherhag
„Es geht ja für die Betroffenen immer um ihr Leben. Also was bedeutet diese Erkrankung für mein Leben – in allen Facetten: für meinen Beruf, für meine Psyche, für meine Kontakte, für meine Familie?“ – Sozialrechtliche und emotionale Unterstützung für Patient:innen


In ihrem Beitrag spricht Nicole Scherhag, Sozialpädagogin und Supervisorin (DGSv), über die sozialen und emotionalen Belastungen, die mit einer chronischen Erkrankung wie Myasthenia gravis einhergehen können.
Sie betont, dass alle Empfindungen eine normale Reaktion auf ein unnormales Ereignis sind und zeigt auf, wie vielfältig die Herausforderungen sind: von Behördenkontakten und Therapieorganisation bis hin zu Partnerschaft, Familie, Beruf und seelischer Belastung. Dabei stellt sie konkrete Unterstützungsangebote vor, wie psychosoziale Beratungsstellen, Reha-Möglichkeiten, Selbsthilfe oder das Kostenerstattungsverfahren für Psychotherapie.

MED-DE-EFG-2500057 V2 Apr2025